Buchempfehlung
„Schlagfertig war gestern!“
von Dr. Ingeborg Rauchberger mit einem Vorwort von Michael Ehlers
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Empfehlung:
Man kann es kaum glauben: Der Pressesprecher der US-Zigarettenindustrie sitzt in einer US Talkshow. Neben ihm massenhaft Gegner der Zigarettenindustrie und als dramatischen Höhepunkt haben diese noch einen krebskranken Jungen mit Vollglatze mitgebracht. Sie wollen es dem Kerl zeigen. Die „Zigaretten-Mafia“ enttarnen und ihre berechtigte Wut an dem Lobbyisten auslassen. Der wirkt da erst einmal ziemlich verloren, der arme Kerl!
Schnitt: Einige Minuten später lacht das Publikum dem sympathischen Vertreter der Zigarettenindustrie zu, der Haupt-Gegner (Vertreter der Politik) ist als Unsympath der Nation enttarnt und der Krebsjunge gibt dem Zigaretten Lobbyisten die Hand und lächelt ihn freundlich an.
Unmöglich…? Okay.
Diese Szene stammt nicht aus dem wahren Leben, sondern es handelt sich um die ersten Minuten des Filmes „Thank You For Smoking“ direkt aus Hollywood. Einem Film, in dem die Hauptfigur der Vertreter der Zigarettenindustrie ist und besonders die manipulative Seite der wichtigsten Kunst im Kommunikationszeitalter auf lustige und unterhaltsame Art und Weise aufzeigt: Rhetorik.
Dieser Film ist mir bei einem der seltenen Fahrten mit dem Zug begegnet. Ein Pharmaziestudent, der mich nach meinem Beruf fragte, sagte: „Rhetoriktrainer sind sie? Das ist toll. Ich zeige Ihnen auf meinem Laptop einen Film. Da geht es eigentlich nur um Rhetorik.“ Die Szene am Beginn bringt in nachdenklich machender Art ganz schnell rüber, was sich in der Wirkung von Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit getan hat. Und es hat sich eine ganze Menge geändert. Alles muss schneller sein. Gerade in dieser hektischen Zeit scheinen die schlagfertigen Männer und Frauen besonders gut anzukommen. Zeit ist Geld. Ein schneller, kluger Spruch, kann doch so manche Situation schnell zum Ende führen, damit man weiter machen kann – mit was auch immer!
Die ständige Präsenz der Medien verändert die Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen. Wir holen unsere Informationen nicht mehr täglich um 20:00 Uhr bei unserem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenübermittler ab, sondern heute informieren wir uns dann, wenn wir die Information brauchen. Ich gehöre zu dieser Generation, die von sich behaupten darf, dass sie heute bereits das Medienverhalten von Morgen für sich vereinnahmt hat. Wie das geht? Das Laptop mit Internet-Anschluss ist ständig dabei. Das Mobiltelefon hat selbstverständlich auch alles, was man zum kommunizieren braucht.
Der Song, gerade im Radio vernommen, wird über W-Lan direkt auf den integrierten MP3 Player runter geladen, die Emails abgerufen, im Internet nachgesehen, ob das ausgesuchte Restaurant für das Geschäftsessen heute Abend auch gute Kritiken hat. Per schnell aufgenommener Videobotschaft schickt man seinem Kleinkind einen Gruß nach Hause. Keine Zukunftsmusik, sondern für meine Generation eine Selbstverständlichkeit. Beim Geschäftsessen passiert es dann: Der Kunde konfrontiert den Anbieter mit einer Fachfrage, auf die dieser nicht sofort eine Antwort weiß. Und jetzt? Ein Blick am nächsten Morgen im Internet verweist auf die entsprechende Fachliteratur und der Autor des Gesuchten bietet auf seiner Website sogar eine Tondatei, den so genannten Podcast als GRATIS-Download an. Klasse. Die Audiodateien werden herunter geladen und auf der Autofahrt zum nächsten Termin ist man am Ende der Fahrt ein ordentliches Stück schlauer. Schlau genug, um dem Kunden seine gesuchte Antwort zu geben.
So läuft es heute. Was das alles mit Rhetorik zu tun hat? Ganz einfach: Die Art der Aufnahme von verwertbaren Informationen hat unsere Wahrnehmung und unsere Erwartungshaltung an Informationen verändert. Alles ist schneller geworden. Da kommen doch schlagfertige Persönlichkeiten besonders gut an, oder?
Das Problem dabei ist nur, nicht alle Menschen sind schlagfertig. Es braucht einen bestimmten Persönlichkeitstyp – besondere „Antreiber“ und „Motive“ in der Persönlichkeitsstruktur des einzelnen, die die Schlagfertigkeit begünstigen. Das hat übrigens rein gar nichts mit den intellektuellen Fähigkeiten dieses Menschen zu tun. Ich kenne Schnelldenker, die kein Wort heraus bekommen, wenn man sie mit einem persönlichen Witz angreift. Auf der anderen Seite sind mir genügend Menschen über den Weg gelaufen, die schnell den Eindruck vermitteln, dass sie ihren Schulabschluss im Lotto gewonnen haben, denen jedoch eine witzige Antwort zu fast jeglichem Angriff einfach nebenher einfällt. Sie sind eben schlagfertig. Das muss man doch lernen können?
In vielen Betrieben, werden auch heute noch extrovertierte Persönlichkeiten und schlagfertige Menschen eher zu Führungskräften befördert als introvertierte. Wir wissen längst, dass die ideale Führungskraft weder in der einen noch in der anderen Gruppe zu finden ist, allerdings hat es sich irgendwie so entwickelt, dass der „lautere Mensch“ eher als Führungskraft anerkannt wird, als die stille Persönlichkeit.
Da schon wenig Menschenverstand ausreicht um zu erkennen, dass Intro- oder Extrovertiertheit weder etwas über die Fachkenntnisse einer Person aussagen, noch über deren Führungsverständnis, sollte die Berufswelt auch verstehen, dass es nicht Schlagfertigkeit ist, die Erfolg begünstigt. Doch es ist anders. Also muss ein Schlagfertigkeitstraining her, wenn ich endlich erfolgreich sein will oder ich mich nur einfach nicht unterbuttern lassen möchte?
Allerdings habe ich noch kein einziges gutes Schlagfertigkeitsseminar besucht. Warum? Ganz einfach: Es gibt keines. Natürlich kennt jeder ein paar selbsternannte „Gurus“ die dem geneigten, etwas introvertierten Opfer klar machen wollen „Kaufe nur mein Buch oder besuche mein Seminar und Du wirst Deine Umgebung mit Deiner neuen Schlagfertigkeit zukünftig begeistern!“. Außer ein paar Stunden unterhaltsamen Auswendiglernens von, nur auf dem ersten Blick witzigen, Kontern auf konstruierte Situationen wird Sie da jedoch nichts erwarten. Sie können Schlagfertigkeit nämlich erstens nicht lernen und zweitens ist sie tatsächlich so was von gestern.
Werfen wir einmal einen Blick in die „Schmieden des Erfolgs“ um zu verstehen, warum Schlagfertigkeit so angesehen ist:
Wir verdanken der Bad Harzburger Management-Schule die erste Idee des kooperativen Führungsstils. Ansatz: „Der Vorgesetzte bezieht seine Mitarbeiter in das Betriebsgeschehen mit ein. Er erlaubt Diskussionen und erwartet sachliche Unterstützung. Bei Fehlern wird in der Regel nicht bestraft, sondern geholfen.“ Was in der Theorie so großartig klingt, ist in der Praxis aber auf große Probleme gestoßen. Grund: In der alten Bad Harzburger Management-Schule der 60er/70er Jahre wurden die Führungskräfte noch nach fast militärischen Prinzipien ausgebildet und dabei wurde nicht selten der lauteste, forscheste als am besten geeignet befunden. Das tatsächlich vorherrschende Führungsprinzip war „Befehl und Gehorsam“, die Menschen zu überzeugen, rückte dabei in den Hintergrund. An den kommunikativen Konsequenzen dieses Systems kranken noch heute viele alteingesessene Unternehmen, da die jungen, inzwischen viel besser ausgebildeten Führungskräfte nur allzu gerne die mit Macht behafteten Führungsrituale ihrer Vorgänger übernommen haben.
Das beweist nicht zuletzt die jährlich erscheinende Gallup-Studie, die die emotionale Bindung von Mitarbeitern zu ihren Arbeitgebern untersucht. Hier wurde heruasgefunden, dass die Kommunikationsfähigkeit von Vorgesetzten sich direkt auf die Motivation der Mitarbeiter auswirkt. Deshalb wurden auch Unmengen von Geld in die Weiterbildung der kommunikativen Fähigkeiten gesteckt. Die Milliarden, die Unternehmen inzwischen in Kommunikations- und Motivationstraining gesteckt haben, zahlen sich jedoch offensichtlich nicht aus. An der Motivation der angestellten Mitarbeiter hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten nichts, aber auch gar nichts verändert. Im Jahr 2011 gaben 86% der Arbeitnehmer ab 18 Jahren an, keine bis eine nur geringe Bindung zu ihrem eigenen Arbeitsplatz zu spüren und innerlich fast schon gekündigt zu haben. Diese Mitarbeiter fehlten häufiger, demotivierten andere und verursachten damit einen gesamtvolkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 124 Milliarden Euro im Jahr. Der Schaden entsteht, indem sie entweder einfach nur ihren Job nicht richtig machen, oder noch schlimmer Kollegen durch Mobbing-Attacken zu unproduktiven Wracks werden lassen. Die Studie sagt Jahr für Jahr, dass Lob, Anerkennung und überhaupt Kommunikation in deutschen Büros oft immer noch Fremdwörter sind. Nur jeder siebte Mitarbeiter ist Feuer und Flamme für seinen Job.
Nur echte Überzeugung setzte dauerhaft Motivation frei. Dieses Prinzip, das die neuen Führungskräfte an den modernen Managementschulen in St. Gallen, Bad Harzburg und anderen Orten lernen, hat aber einen Haken: Der Mensch muss sich intensiver mit anderen Menschen, deren Bedürfnissen, Motiven, eigenen Überzeugungen und Wünschen auseinandersetzen. Das bedeutet Arbeit. Sie müssen Kommunikationsgesetze lernen, Überzeugungsmechanismen verstehen. Aber es hat einen Vorteil: Es ist ein Handwerk. Das jeder lernen kann. Ich nenne es „moderne, angewandte Rhetorik“.
Dieses Handwerk hat nichts mit dem Auswendiglernen von Sätzen zu tun. Es beginnt mit der richtigen Einstellung zum Thema (Die hat ein normaler Handwerker auch. Er will ein gutes Ergebnis hinterlassen – „bei seiner Handwerker-Ehre“!) und mündet in die Beherrschung seines Handwerkszeugs. Rhetorik ist keine Wissenschaft, die über Jahrhunderte weiterentwickelt wurde und ständig mit bahnbrechenden Neuigkeiten von sich hören lässt. Rhetorik ist eine Fertigkeit, ein Handwerk – jeder Redner hat damit den gleichen Weg zurückgelegt, den Sie vor sich haben.
In dem nun endlich vorliegenden, sehr unterhaltsamen Werk meiner erfahrenen Kollegin Frau Dr. Ingeborg Rauchberger liegt der Fokus auf Einstellung und Handwerk. Hier wird gehalten, was in vielen anderen Büchern versprochen wird. Kein Trainer-Hokuspokus, kein Herunterbeten von Floskeln. Nein! Anschaulich erklärt sie, warum Schlagfertigkeit gestern war und wie Sie von der Erfahrung einer langjährigen Kommunikationsexpertin lernen können, was gute Rhetorik bedeutet und das dann auch wirklich anwenden können.
Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre!
Michael Ehlers
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