Die Bundestagswahl steht kurz vor der Tür und in den Nachrichten wimmelt es nur so von Statements zu den Wahlprogrammen. Eines haben viele Parteien gemeinsam. Sie werben mit zukünftigen Steuerentlastungen für Gering- und Mittelverdiener. Aber im Gegenzug auch mit Steuererhöhungen für Vermögende. Fällt Ihnen etwas auf? Einerseits wird von Steuerentlastungen gesprochen, andererseits aber nicht von Steuerbelastungen. Was dahinter steckt, lässt sich durch „Framing“ erklären.
Framing – wie Sprache unser Denken beeinflusst
Als Menschen handeln wir rational. Das unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen auf der Welt. Unser Handeln ist vernunftorientiert. Wir können Fakten objektiv bewerten und dann entscheiden, welches politische Vorhaben wir unterstützen wollen und welches nicht. Tatsächlich?
Durch die Erkenntnisse der modernen Neuro- und Kognitionsforschung ist die Annahme der klassischen Vernunft massiv ins Wanken geraten. Vor allem das so genannte „Framing“ ist einer dieser Punkte, der unsere Vorstellung von sprachlicher Beeinflussung verändert hat. In Bezug auf politische Debatten überzeugen weniger die Inhalte, sondern vielmehr wie diese präsentiert werden. Führend auf dem Forschungsgebiet des „political framing“ ist die deutsche Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling. Mit ihrem Buch „Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“ gelang ihr im Jahr 2016 ein Bestseller.
Aber was genau ist ein Frame? Es handelt sich um einen gedanklichen Deutungsrahmen, der durch Sprache entsteht. Ohne es zu merken, beeinflussen zahlreiche dieser Frames unser Denken. Dabei selektiert unser Gehirn Fakten, indem es bestimmten eine größere Bedeutung zuschreibt und manche gar nicht beachtet. Das hängt vor allem mit den Erfahrungen zusammen, die wir im Alltag machen. Gefühle, Erinnerungen und beispielsweise auch Gerüche haben großen Einfluss auf den Deutungsrahmen.
Daher ist es umso wichtiger sich mit der Existenz und der Auswirkung von Frames zu beschäftigen. Einerseits um sich darüber bewusst zu werden, wie sehr wir tatsächlich beeinflusst werden und andererseits wie wir andere beeinflussen.
Steuerentlastung vs. Steuerbelastung
Doch was hat das nun mit unserer Bundestagswahl zu tun? Das im ersten Absatz angesprochene Beispiel des Steuerbegriffs benutzt Wehling in ihrem Buch exemplarisch, um aufzuzeigen, wie Politiker ihre Worte in Deutungsrahmen verpacken. Beim Wort „Steuererleichterung“ denken wir unmittelbar daran, dass Steuern gesenkt werden sollen. Wir Bürger müssen also weniger Geld zahlen. Toll! Aber was steckt noch hinter dem Begriff? Er aktiviert in unserem Gehirn einen so genannten „ideologischen Frame“. Dabei bewertet unser Gehirn das Wort nicht objektiv und rational, sondern moralisch. Es stecken nämlich zwei Aspekte in diesem Wort. Zum einem der Begriff „Steuer“, ein komplexes politisches System und zum anderen der Begriff „Erleichterung“, den wir aus unserem Alltag kennen.
Letzterer setzt eine Last voraus, die von jemandem getragen wird. Eine Last ist schlecht und wir wollen von ihr befreit werden. Befreien assoziiert im Umkehrschluss, dass wir gefangen sind. Und auf einmal sind wir in der Opferrolle, aus der wir befreit werden wollen. Doch wir haben Glück. Politiker, die diesen Frame in uns aktiviert haben, bieten Abhilfe, indem sie die Steuern senken wollen. Aber was ist mit der Steuererhöhung für die Großverdiener unter uns? Wieso wird hier im Umkehrschluss nicht von einer SteuerBElastung gesprochen? Nun ja, die Antwort liegt auf der Hand. Wer wählt schon eine Partei, die mich belasten will?
Waren Sie schon mal in einer Steueroase?
Die Mittelmeerinsel Malta lockt mit unvorstellbar niedrigen Steuersätzen zahlreiche Unternehmen aus Europa. Hier ist es nicht ungewöhnlich, dass sich gleich mehrere Tochterfirmen eine Klingel teilen. Politik und Medien haben für solche Staaten einen zentralen Begriff: Die Steueroase. In welchen Rahmen bettet unser Gehirn dieses Wort? Mit dem Frame „Oase“ wird die Vorstellung eines fruchtbaren Vegetationsflecks aktiviert, dessen Umgebung eine ausgedörrte Wüste darstellt. Ein weiterer Begriff, der oft mit der Steueroase einhergeht, ist das „Steuerparadies“. Die Vorstellung, weniger Steuern zahlen zu müssen, klingt paradiesisch. Aber nicht nur das impliziert der Begriff. Wenn in unseren Köpfen der Gedanke eines Steuerparadieses präsent ist, denken wir je nach Erfahrung auch an die Steuerhölle. Und in einer Hölle lebt es sich schon nicht mehr sonderlich gut.
Schärfen Sie Ihren Blick
Begriffe wie die zurückliegenden sind keinesfalls zufällig gewählt. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln nachhaltig. Eine Politik, in der ausschließlich Inhalte entscheiden, ist unvorstellbar. Wer Ihnen das verkaufen möchte, spricht mit falscher Zunge. Politische Inhalte werden von Sprache getragen, die ganz bewusst gewählt wird, um metaphorische Sprachbilder in unseren Gehirnen entstehen zu lassen. Freilich, diese Erkenntnis ist keine Weltoffenbarung. Schließlich werden wir tagtäglich auch von Werbung, Medien und im normalen Alltag sprachlich beeinflusst. Gegen diese automatischen Konnotationen unseres Gehirns können wir wenig machen. Wir können jedoch versuchen, aufmerksamer für die Verwendung bestimmter Begriffe zu sein. Wir können uns selbst fragen, was Worte wie „Steuerflüchtling“, „Flüchtlingswelle“ oder „Migrationshintergrund“ tatsächlich bedeuten und in welchem Zusammenhang sie von wem verwendet werden.
Sie möchten mehr über das Thema „Framing“ erfahren? In meinem nächsten Buch „Rhetorik. Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ widme ich mich intensiv der sprachlichen Beeinflussung. Es erscheint im Frühjahr 2018.