Den Strohmann erkennen und verbrennen
In meinem letzten Post habe ich den Begriff Dog Whistle erläutert, der verstärkt durch die digitalen Kommunikationskanäle geistert. Heute geht’s um einen weiteren Begriff, der sehr häufig innerhalb von digitalen Debatten – zumeist als Vorwurf – gebraucht wird: die Strohmann-Argumentation.
Die Strohmann-Argumentation ist ein rhetorisches Werkzeug, das vor allem in Werkzeugkoffer der Eristik, der Kunst der Widerlegung in einer Diskussion oder Debatte zu finden ist.
Und darum geht es: Person B unterstellt Person A eine Aussage, die sie nie getroffen hat und widerlegt diese mit den eigenen Argumenten. Es entsteht der falsche Eindruck, dass Person B als „Gewinner“ aus der Diskussion geht.
So wird ein Strohmann aufgebaut:
Die Aussage von Person A bewusst falsch interpretieren oder verzerren und dann genau diese Interpretation widerlegen.
A: Ich halte eine kontrollierte Abgabe von Marihuana an Erwachsene für sehr sinnvoll, um den illegalen Drogenmarkt auszutrocknen.
B: Ach so. Und im nächsten Schritt dann Heroin im Edeka, oder wie stellst du dir das vor? THC kann auf die Gehirne von Heranwachsenden und Kindern katastrophale Folgen haben.
Sprecher aus dem Off: Person A spricht ausdrücklich von Marihuana und Erwachsenen. Person B macht daraus Kinder und Heranwachsende und assoziiert Marihuana mit Heroin.
Eine Person C mit fragwürdigen Anschauungen oder Handlungen beschreiben, die angeblich typisch für die Vertreter der These von Person A sei. Es folgt eine Zurückweisung der Argumente von Person A per Assoziations-Trugschluss. Der Zuhörer überträgt die negativen Eigenschaften / Zuschreibungen von Person C auf Person A und deren Argumentation.
A: Unseren Fleischkonsum zu reduzieren würde der Umwelt und unserer Gesundheit guttun.
B: Und wenn wir alle nur noch Salat essen, wird alles gut? Hitler war übrigens Vegetarier.
Sprecher aus dem Off: Hitler hat auch Schuhe getragen. Wir halten das Tragen von Schuhen dennoch für sinnvoll.
Person B unterstellt Person A Kontaktschuld. Diese Unterstellung passiert typischerweise in sozialen Netzen
Person A: postet etwas.
Person B: C hat deinen Post geteilt. Da sieht man mal.
Sprecher aus dem Off: Ein Poster hat wenig Möglichkeiten darauf, wer einen öffentlichen Post kommentiert oder teilt.
Person B baut eine scheinbare Analogie zur These von Person A auf, die sich leichter widerlegen lässt als die eigentlich zu widerlegende These.
A: Der Zwang zum Tragen von Kopftüchern ist ein patriarchales Unterdrückungsinstrument. Wir müssen solidarisch mit den Frauen in Iran sein.
B: Meine Oma hat bei der Feldarbeit immer Kopftuch getragen. Und Nonnen tragen auch ein Kopftuch wegen ihres Glaubens.
Sprecher aus dem Off: Ja, aber wir erschießen weder Bäuerinnen noch Nonnen, wenn sie das Kopftuch oder den Schleier NICHT tragen.
Um „Strohmänner“ zu widerlegen, der Begriff geht auf zum Fechttraining verwendete Strohpuppen zurück, brauchst du Gelegenheit zur Gegenrede und den guten Willen der Zuhörer. Beides ist insbesondere in digitalen Kanälen selten, wo es oft nur darauf ankommt. Wenn du erkennst, dass dein Gegner auf diese Weise argumentiert brich die Diskussion ab:
- „Ich verstehe es nicht. Was hat das mit meinem Argument zu tun?“
- „Ich habe verstanden, dass sie auf mein Argument nicht eingehen wollen. Warum? “
- „Ich würde es begrüßen, wenn wir zu einer sachlichen Diskussion zurückfinden könnten. Strohmänner helfen uns nicht weiter.
Um nicht selbst zu Person B zu werden, musst du vorurteilsfrei zuhören. Wir alle lassen uns zu gerne von unseren Vorurteilen leiten und wir alle führen Diskussionen zu gerne, um einfach nur „zu gewinnen“.
Sind dir diese Argumentationen auch schon begegnet?