Kommunikation von heute
Die digitale Kommunikation ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Nachdem wir Ihnen den Messenger-Marktführer Snapchat vorgestellt haben, wollen wir in unserer Artikelserie “Kommunikation von heute” Jodel aus einer soziologischen Perspektive betrachten.
Soziale Netzwerke haben sich natürlich stark verändert! Aber in diesen Veränderungen ist auch immer wieder Platz für einen speziellen Neuling. So zum Beispiel: Jodel. Wir haben uns gefragt: Wie verändert Jodel unsere Kommunikation? Wie könnte Jodel für die lokale Wirtschaft förderlich sein?
Was ist Jodel?
Jodel ist anonym, selbsterklärend und lokal. Als Zielgruppe richtet sich die App vorzugsweise an Studenten und Personen in den 20ern und ihr Leben zwischen WG, Job und langweiligen Vorlesungen an der Uni. Aber auch lustige Alltagsfakten, Fragen und Shortnews aus dem Umkreis kann man auf Jodel finden. Die Jodler erzählen also von privaten und pikanten Details, aus ihrem Leben und nehmen sich dabei gern selbst auf die Schippe. Nutzer können einen Post up- und downvoten und ihn kommentieren. Der eigene Standort und 10 km um ihn herum bestimmen dabei, welche Posts gesehen werden können.
Mittlerweile hat Jodel eine Million Nutzer, die etwa 7 Messages pro Sekunde schreiben, wobei nicht sichtbar ist, wie viele Jodler sich in einer Stadt befinden. Das macht vielleicht den Reiz von Jodel aus. Denn keiner weiß, ob er über den Post seines Kollegen oder des nervigen Nachbars lacht, im Gegensatz zu Plattformen wie Facebook oder Twitter.
Jodel – Deine Nachbarn sind jetzt online
Messenger-Dienste und soziale Medien bieten die Möglichkeit, überall, zu jeder Zeit und mit fast jedem Menschen der Welt vernetzt zu sein. Wir können Freunde in den USA ganz einfach über Skype anrufen, ihnen Fotos auf Snapchat schicken und sie zu virtuellen Nachbarn machen. Gleichzeitig nimmt der Trend zur Share-Community innerhalb lokaler Räume oder Städten zu. Nachbarn helfen sich gegenseitig, ihre Kinder zu betreuen oder übrige Lebensmittel zu teilen. Es besteht die Möglichkeit, sich schnell und unkompliziert als Gruppe zum Sport zu verabreden oder einfach zusammen das Fahrrad zu reparieren.
Natürlich erobert der Trend “Zurück zum Lokalen” auch die Smartphones und Social Media. Da gibt es die bekannten Sharing-Gruppen auf Facebook, aber auch Webseiten wie nebenan.de und eben Jodel. Mit dieser App kann man Leute aus der gleichen Stadt, Mitstudenten oder Nachbarn online kennen lernen. Was versprechen die neuen lokalen Apps und Seiten? Werden wir dadurch wieder lokal statt global?
Lokal statt Global?
Generell können wir einen Trend in der Gesellschaft feststellen, der sich wieder stärker auf das Lokale rückbesinnt.
Auch wenn Menschen so virtuell vernetzt und mobil sind wie zu keiner anderen Zeit, interessieren sie sich doch für das Geschehen in ihrer Stadt. Nach einer Studie des Allensbacher Instituts, welches zu den renommiertesten Adressen für Umfrageforschung gehört, leben 88 Prozent der Menschen unter 30 gern in ihrer Region. Demzufolge interessieren sie sich auch für lokale Nachrichten, Projekte, Feste und beteiligen sich an Aktionen in ihrem näheren Umfeld. Was in Dorfgemeinschaften gang und gäbe scheint, ist in Großstädten eine Herausforderung. Hier lebt man generell anonymer, aber kann auch die neuen Kommunikationskanäle für sich nutzen, um sich mit anderen zu vernetzen. Die Kommunikation über das Internet ist einfach, schnell und macht diesen lokalen Trend vielleicht erst möglich.
Nicht nur die lokalen Händler und Wirte profitieren also von der Rückbesinnung auf das eigene Umfeld. Plattformen wie Airbnb oder Uber sind dabei eher auf maximale Gewinne oder Nutzerstatistiken aus. Durch Jodel und Co. werden die App-Entwickler wahrscheinlich weniger reich. Der wichtigste Aspekt ist hinter solchen Apps: das Soziale. Menschen sollen untereinander lokal vernetzt werden, sich austauschen und sei es nur durch witzige Kommentare.
Teilen schafft Nachhaltigkeit
Je unübersichtlicher uns die Welt erscheint, je mehr Traditionen verfallen, auf die man sich stützten konnte und die sagten, wie die Welt ist und wie wir mit ihr umgehen können, desto wichtiger wird es zu wissen wer man ist. Dazu unterhält man sich, fragt nach und kümmert sich. Man besinnt sich zurück auf sich selbst, und die Gemeinschaft und setzt sich mit seiner näheren Umwelt auseinander. Mit geteiltem Konsum werden Besitz und Massenkonsum der Gemeinschaft und dem Vertrauen gegenübergestellt. Das Tauschen und Leihen von Dingen und Dienstleistungen ist damit nicht nur eine günstige Alternative zum persönlichen Besitz. Mehr Menschen benötigen weniger Dinge, was letztendlich Ressourcen schont, Energie spart und auf der lokalen Ebene spontane Gruppen oder andauernde Gemeinschaften entstehen lässt.
Das Internet eröffnet uns zwar die ganze Welt, ohne dass man sich aus den eigenen vier Wänden bewegen muss, aber dadurch entfremden wir uns von den Dingen in unserer Umwelt und uns selbst. Der Soziologe Hartmut Rosa spricht davon, dass die Resonanzachse zwischen der Welt und uns gebrochen sei. Um diese zu kitten, brauchten wir jemanden oder etwas, welcher/was uns antwortet. Wie der Resonanzkörper und das Fingerspitzengefühl die Klänge der Gitarre erst hervor bringen, brauchen wir auch etwas, um uns in positive Schwingungen zu versetzen. Ob das ein Pink-Floyd-Song ist, der uns Gänsehaut verschafft, oder das Telefonat mit einem alten Bekannten, welches uns in der Vergangenheit schwelgen lässt, ist dabei egal.
Rosas Resonanzbegriff orientiert sich dabei an Hegels “Im Anderen ganz bei sich selbst sein”. Der Andersklang, nicht der Gleichklang beschreibt solche Gemeinschaften. Das Internet verschafft uns dieses Gefühl nur teilweise, unsere Umwelt dagegen ganz. Wir suchen nicht nur Zustimmung, sondern auch Verständnis und andere Meinungen. Jodel kann genau hier einen guten Ansatz bieten. Es vernetzt zwar online, aber eben auch lokal. Die Möglichkeit, sich mit anderen Jodlern zu treffen, sei es per Zufall an der Aldi-Kasse oder geplant, ist durchaus möglich und nicht umständlich. Denn das Internet kann auch lokal!
Jodel als Werbemarkt
Und nicht nur privat bieten lokale Plattformen und Netzwerke eine Chance. Facebook bietet die Option, Werbeanzeigen für bestimmte Zielgruppen, Wohnorte und andere Parameter zu schalten. Die Anzeigen werden dann nur den Nutzern angezeigt, die in bestimmten, selbst definierten Orten wohnen oder generell für das Unternehmen relevant sind. Diese Möglichkeit sollte man als lokales Unternehmen auf jeden Fall nutzen.
Ganz neu sind die local-awareness-Anzeigen, die nur von Personen gesehen werden, die sich aktuell in einem bestimmten Umkreis (eines Unternehmens) aufhalten. Es geht also um den aktuellen Aufenthaltsort, nicht den stationären Wohnort. Besonders sinnvoll scheint diese Methode für Gastro-Betriebe, Mode-Läden und andere Unternehmen, die von Laufkundschaft und Spontaneität der Kunden leben. Eine interessante Sache für Touristen, aber auch für Einheimische, die ihre Stadt neu erkunden wollen und natürlich für Unternehmer.
Fazit
Ob sich Jodel – ähnlich wie Twitter – über den Campus und dessen Zielgruppe hinaus ausbreiten wird, ist fragwürdig. Außerdem besteht so für die App die Gefahr, ihre Zielgruppe zu verlieren und sich gänzlich aufzulösen. Zur Zeit läuft die Plattform noch werbefrei. Sobald die App-Entwickler sich jedoch dagegen entscheiden, wird Jodel das Potenzial bieten, ein neuer lokaler Werbe-Marktplatz zu werden. Bis dahin ist Jodel für den geneigten User ein lustiger Zeitvertreib, den es auszuprobieren gilt.
Was Jodel aber zur Zeit bietet ist Unterhaltung und Vernetzung auf lokaler Ebene. Und genau das ist der neue Trend “Zurück zum Lokalen”. Die App-Entwickler haben damit einen Nerv der Zeit getroffen, wie die virale Resonanz der App bestätigt. Auch und gerade dann, wenn Menschen online vernetzt sind wie noch nie, ist das konkrete Umfeld eine wichtige Quelle um Informationen und Neuigkeiten zu beziehen. Mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, die auch offline erreichbar sind, ist und bleibt in der digitalen Gesellschaft ein hochgradig wichtiger Aspekt.