Wie wir mit Lügen unsere eigene Version der Wahrheit schaffen
Jetzt mal Hand aufs Herz: Wir alle lügen. Sei es bei einer beiläufigen Äußerung, um einer Situation aus dem Weg zu gehen, oder um negative Auswirkungen zu vermeiden. Mag man einigen Meinungen von Kommunikationsforschern und Wissenschaftlern trauen, lügen wir im Durchschnitt sogar 200x pro Tag. Es liegt nahe anzunehmen, dass diese Behauptung an sich sogar schon eine Lüge ist.
Tun wir dem Begriff Lüge eventuell auch nur Unrecht und schieben ihm grundlos den schwarzen Peter zu? Lügen ist nicht so schlimm, wie wir annehmen und wird in der Rhetorik oft als nützliches Hilfsmittel eingesetzt.
Nach dieser Artikelserie werden Sie bewusster mit Lügen umgehen und Ihre Fähigkeiten diese zu erkennen geschärft haben.
Wir werden uns in dieser Artikelserie voll und ganz dem faszinierendem Thema des Lügens widmen. Dazu werden wir von Montag bis Donnerstag jeden Tag einen weiteren Teil unseres Artikels veröffentlichen. Freitag gibt es dann zusätzlich noch weitere Einblicke von Michael Ehlers persönlich. Seien Sie also gespannt.
Lesen Sie hier den ersten Teil unserer vierteiligen Serie:
Alles erstunken und erlogen?
Warum lügen wir so oft? Hat sich die Anzahl der von uns erzählten Lügen durch die Bandbreite an Kommunikationsmitteln und -möglichkeiten, die uns dank Whatsapp, Email, Facebook und Co. zur Verfügung stehen, erhöht? Glauben wir uns in deren Schutz sicherer, beim Lügen nicht erwischt zu werden, statt mit jemandem von Angesicht zu Angesicht zu reden?
Ab wann ist eine Lüge eine Lüge? Zählen die beiläufigen Flunkereien, die wir tagtäglich von uns geben, überhaupt dazu? Im Duden wird eine Lüge definiert als eine falsche und auf Täuschung angelegte Aussage, also die absichtlich und wissentlich geäußerte Unwahrheit. Das klingt im ersten Moment natürlich sehr negativ.
Tatsächlich ist uns selbst oft gar nicht bewusst, dass wir lügen. Wir haben dieses Verhalten über die Jahre der evolutionären Entwicklung perfektioniert und uns zunutze gemacht. Lügen ist dadurch fest in unserer Gesellschaft verankert und passiert ständig, sodass es ein nicht wegzudenkender Bestandteil dieser geworden ist.
Doch warum lügen wir so oft?
Sind wir so unzufrieden mit allem, jedem und uns selbst?
Wir wollen nicht anecken. Bloß keine Konflikte hervorrufen. Alles soll harmonisch bleiben. Doch kann das wirklich der richtige Weg sein? Sind es nicht gerade Konflikte und die Infragestellung des Status quo, die uns weiterbringen? Vielleicht ist das häufige Lügen auch nur ein verzweifelter Versuch, etwas Stabilität in unser Leben zu bringen. Nachdem sich um uns herum alles stetig verändert.
Oft wird gelogen, um soziale Konflikte und negative Emotionen zu vermeiden. Lügen dient somit als automatische Schutzreaktion zur Prävention von Schmerz. In unserem Streben nach Harmonie ziehen wir vor, unser Gegenüber lieber mit einem ,,Dein neuer Haarschnitt sieht echt super aus!“ abzuspeisen, anstatt unsere eigentliche Meinung zu verkünden (,,Das sieht ja schrecklich aus! Den Friseur solltest du verklagen!“).
Manchmal wird auch gelogen, um sich mit Lügen Vorteile zu verschaffen. Es werden gewisse Dinge über sich selbst erzählt, um in einem bestimmtem Licht bei den Zuhörern darzustehen und ein gewissen Image von sich selbst zu kreieren.
Wir lügen aber auch, um unsere Mitmenschen zu schützen oder zu motivieren. Lügen können bewirken, dass sich unser Gegenüber für eine Aktion entscheidet und eine andere unterlässt. Dadurch können wir Einfluss auf unsere Mitmenschen ausüben. Sei es in eine positive oder negative Richtung.
Ist Lügen gar in Ordnung, wenn wir wissen, dass wir damit einen positiven Einfluss haben? Dass Chancen und Möglichkeiten ergriffen werden, die sonst vielleicht nicht ergriffen worden wären? Wenn wir wissen, dass die Person, die wir belügen dadurch im Leben weiterkommt?
Lügen haben einen festen Platz in unserer Gesellschaft
Wie oft haben wir schon aus reiner Höflichkeit Interesse vorgetäuscht? Wenn wir ehrlich sind, hat uns nicht unbedingt jede Geschichte aus der Bahn, dem Bus, Flugzeug oder bei einer Mitfahrgelegenheit interessiert. Und das ist auch ganz natürlich. Aber wir täuschten Interesse vor. Wir wussten, dass wir der Situation nicht so schnell entfliehen konnten, also zogen wir vor zu lügen und nett und höflich zu sein. So wurde es uns schließlich beigebracht.
Lügen kann als sozialer Knigge der Gesellschaft betrachtet werden. Wir versuchen uns sozialen Normen und Anforderungen anzupassen und diesen gerecht zu werden. Nicht selten neigen wir dazu, die Wahrheit etwas auszuschmücken, zu verdrehen, herunterzuspielen oder völlig neu zu erfinden. Die Wurzeln vieler Lügen liegen oft auch kulturellen Aspekten zugrunde. So ist es unter anderem im asiatischen Raum, wie beispielsweise in China, sehr wichtig ,,das Gesicht zu wahren”. Offene Konfrontationen werden gemieden, da die Harmoniebedürftigkeit der Chinesen sehr groß ist. Dadurch gehören Lügen hier praktisch zum guten Ton.
Aber wollen wir die Wahrheit hören? Oder lassen wir uns bewusst anlügen und erwarten von unseren Gesprächspartnern, dass das gesagt wird, was wir gerne hören würden? Wäre die Welt wirklich besser dran, wenn wir alle die Wahrheit sagen würden? Und wollen wir überhaupt wissen, ob uns gerade jemand anlügt?
Wie ehrlich sind wir zu uns selbst?
Wir belügen jedoch nicht nur unsere Mitmenschen, sondern oft auch uns selbst. Aber wieso können wir nicht mal zu uns selbst ehrlich sein? Wieso müssen wir uns sogar vor uns selbst rechtfertigen? Wir verleugnen manchmal unsere wahren Gefühle und wollen sie uns nicht eingestehen. Wir setzen uns Ziele und finden dann aber doch immer wieder Ausreden, weshalb wir diese nicht weiter verfolgen können:
,,Ich habe keine Zeit mich darum zu kümmern”, ,,Morgen fange ich damit an, mich gesünder zu ernähren und mehr Sport zu machen” oder ,,Bald kündige ich meinen ungeliebten Job und suche mir eine Arbeit, die mich glücklich und zufrieden macht und mich vollkommen erfüllt”.
Wir wissen, dass das alles nur Ausreden sind. Wir wissen auch, dass wir uns nur gerade selbst etwas vormachen und uns eigentlich nichts daran hindert, unseren Zielen weiter nachzugehen. Das einzige was uns behindert sind wir selbst.
Welche Psychologie hinter Lügen steckt und wie ein Lügner entlarvt werden kann, lesen Sie morgen in unserem Teil II.