Wie Big Mother uns beschützt und Big Brother uns ausspioniert

Wie Big Mother uns beschützt und Big Brother uns ausspioniert

Es herrscht Goldgräberstimmung. Zahlreiche Unternehmen stürzen auf den Markt, alle haben sie ein gemeinsames Ziel: Daten, Daten und noch mehr Daten. Sie sind das Gold des 21. Jahrhunderts und werden begierig gesammelt, sortiert und vermarktet – oftmals ohne dass der Datengeber auch nur den blassesten Schimmer hat, wo und vor allem bei wem seine privatesten Daten einmal landen.
Und die Goldgrube wird zusehends ertragreicher, da sich die Kunden immer weiter für den Digitalisierungstrend öffnen. Getreu dem Motto „Viel hilft viel“, stattet sich der gesundheitsbewusste, technikaffine Kunde mit den technischen Neuheiten aus, die selbst die kleinste Bewegung erfassen, sämtliche Vitalfunktionen überprüfen, alles über Medikamenteneinahme und Schlafgewohnheiten wissen, den aktuellen Fitnesszustand im Blick haben und natürlich ständig zur Selbstoptimierung motivieren.

"Der digitale Patient" auf ARTE
“Der digitale Patient” auf ARTE

 

Möglich machen dies immer kleinere und genauere Sensoren. Diese sind in Fitnessarmbändern, Uhren und sogar Kleidung eingearbeitet und überwachen jedes Detail.

Datenklau durch Health Tracking Geräte
So überwacht der im Oberarm angebrachte Sensor „FreeStyle Libre“ dauerhaft den Blutzuckerspiegel und schlägt Alarm, wenn der Wert sich in einem kritischen Bereich befindet. Tolles Gerät. Schade nur, dass die Daten direkt an einen Server nach Amerika weiter geleitet werden und keiner der Patienten wirklich im Bilde ist, wer da eigentlich heimlich von seinen Daten profitiert. Ähnlich verhält es sich mit anderen so genannten „Health Tracking“ Geräten und Apps, bei denen der Datenschutz, milde ausgedrückt, liberal handgehabt wird. So gehen nicht nur Puls- und Atemfrequenz, sondern gleich ganze Bewegungsprofile an den Betreiber. Ein richtiges Datenfeuerwerk also.

Vorteile der Telemedizin
Dieses kann sich aber auch als überaus nützlich erweisen. Stellen Sie sich Frau Müller vor. Frau Müller ist Ende 70 und eine überaus nette und geduldige Person. Aber Frau Müller hat ein Problem: Sie hat aufgrund einer Entzündung starke Schmerzen und müsste einen Arzt aufsuchen, jedoch lebt sie auf dem Lande und ist nicht sonderlich mobil. Der älteren Damen bleibt nichts anderes übrig, als sich unter großen Umständen und Schmerzen aufzumachen, den beschwerlichen 50 minütigen Weg mit Bus und Bahn zu Stadt A zurückzulegen, um einen Allgemeinmediziner aufzusuchen, der ihr dann mitteilt, dass er nichts für sie tun könne und sie zum Spezialisten in Stadt B müsse. Völlig resigniert muss sie einsehen, dass die Mühen umsonst waren. Nach unzähligen Wochen des Wartens auf einen Termin erreicht sie doch noch den Spezialisten in Stadt B. Jedoch beginnt das Prozedere von Neuem. Denn Spezialist B kennt Frau Müllers Krankengeschichte nicht und es folgen zahlreiche Vorgespräche und Untersuchungen. Ein sehr düsteres Szenario.

Ungehinderter Datenfluss erleichtert Diagnose und Behandlung 
Mit einem besseren Informationsaustausch zwischen dem Mediziner in Stadt A und dem Mediziner in Stadt B, hätte der Dame das alles erspart werden können. Frau Müller aus diesem Beispiel ist zwar fiktiv, jedoch gibt es millionenfach Damen und Herren, denen es ähnlich geht. Und genau hier kann die Datenflut nützlich werden: Sie kann Patient und Arzt, sowie Ärzte untereinander besser vernetzen. Das Zeitalter von analogen Krankenakten wäre endgültig beendet und ein ungehinderter Datenfluss zwischen allen Beteiligten vereinfacht den Behandlungsprozess und ermöglicht noch dazu ein deutlich umfangreicheres Bild des gesundheitlichen Zustands des Patienten. Vielleicht entdeckt Spezialist B sogar die Ursache für die chronische Migräne der Patientin, an der Arzt A schon lange rätselt? Und das nur, weil ihm neuerdings alle Daten zur Verfügung stehen, um ein vollständiges Krankheitsbild der Patientin zeichnen zu können. Telemedizin, also der Aufbau einer kompletten datenbasierten Gesundheitsinfrastruktur, bietet immenses Potential für die Zukunft. Ganze Landstriche, die durch das bisherige analoge Gesundheitssystem nur mangelhaft erschlossen waren, erhalten Zugang zu einer erstklassigen medizinischen Versorgung. Aufgrund der Tatsache, dass sich die bisher unterversorgten Landstriche im Zuge der Urbanisierung noch weiter ausdehnen werden, kann eine medizinische Versorgung nach altem Standard, also der flächendeckenden Versorgung durch Landärzte, in vielen Regionen nicht mehr aufrecht erhalten werden. Insofern ist ein Ausbau der telemedizinischen Infrastruktur unumgänglich.

Behandlung via Video Chat 
Denkbar ist auch die digitale medizinische Versorgung: Der Patient müsste gar nicht mehr zum Arzt kommen, sondern der Kontakt erfolgt über Video Chat. Dem behandelnden Arzt ist es möglich eine Ferndiagnose zu stellen und bei Bedarf kann immer noch eine “analoge” Behandlung erfolgen. Sowohl Arzt als auch Patient können Zeit und Aufwand einsparen – wodurch natürlich auch intensivere Behandlungen möglich gemacht werden. Außerdem denkbar ist eine vermehrt ambulante Behandlung von eigentlich stationären Patienten. Moderne Health Tracking Systeme können permanent alle Vitalfunktionen überwachen und die Daten an den behandelnden Arzt schicken. Dieser wird sofort über Abweichungen benachrichtigt und kann dann eine sofortige Behandlung einleiten. Patienten bekommen durch die Vermeidung eines stationären Aufenthalts in der Klinik viel Lebensqualität geschenkt und das Gesundheitssystem spart immense Summen. Die Möglichkeiten der Telemedizin sind riesig und alles basiert auf einer immer größeren Datenmenge.

Michael Ehlers neues Buch “Herzlich Willkommen im Datengefängnis”
Weitere und detaillierte Anwendungsbeispiele der modernen Telemedizin werden Sie Michael Ehlers neuem Buch „Herzlich Willkommen im Datengefängnis“ das am 27.04. erscheint, entnehmen können. Der Kommunikationsexperte nimmt Sie mit auf eine spannende Reise durch die Welt der Daten, deren hohe Mauern uns heute umgeben. In gewohnt lockerer Sprache geht er der Frage auf den Grund, ob wir das Big-Data Zeitalter beherrschen oder ob es nicht eher uns beherrscht.

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